Geschichte der Firma Philipp Mäser

Die Anfänge der Fa. Philipp Mäser gehen zurück auf Benedikt Mäser: Der 1851 geborene Dornbirner trat als kaufmännischer Lehrling in die Weberei J. A. Winder, damals die drittgrößte Textilfirma Dornbirns, ein. Bei Baubeginn der Arlbergbahn kündigte er 1880 bei Winder und betrieb stattdessen in Klösterle, später in Langen, eine Kantine sowie einen Laden, um die bis zu 6.000 Bauarbeiter zu versorgen. Nach vier Jahren Arbeit am Arlberg hatte er so viel verdient, dass er 1884 in der Dornbirner Kehlerstraße ein Haus und zwei von Hand betriebene Rundwirkstühle kaufen konnte. Das war der Beginn seiner Selbständigkeit als Fabrikant und der Textilfirma Benedikt Mäser. 1906 lähmte ein Schlaganfall Benedikt Mäser teilweise, woraufhin sein Bruder Kaspar ihn bei der Führung der Geschäfte unterstützte. 1908 trat Benedikts Sohn Herbert, geb. 1889, in das Unternehmen ein.1 Sein jüngerer Bruder Philipp, Jahrgang 1892, begann gleichzeitig beim Vater eine Lehre im Handelsgewerbe.2 Nach dem Tod des Vaters im Jahre 1912 teilten sie sich die Geschäftsführung. Trotz des Ersten Weltkriegs, im Zuge dessen Herbert und Philipp einrücken mussten, gelang es ihnen, die Zahl der Angestellten ständig auszubauen: 1920 arbeiteten bereits 13 Mitarbeiter für die Fa. Benedikt Mäser.3

1924 entschieden Herbert und Philipp eine Trennung des Unternehmens in zwei Bereiche: Herbert führte die Wirkerei in der Kehlerstraße fort.4 Philipp meldete im Juni das Gewerbe für die Strickerei, welche er unter seinem eigenen Namen weiter führte, an.5 In der Widagasse 9 erwarb er ein im Rohbau befindliches Gebäude, wo er mit wenigen Hand- und Motormaschinen Strickwaren erzeugte.
Philipp Mäser profitierte in diesen Jahren von der zunehmenden Bedeutung der Stickwarenindustrie.7 So konnte er rasch expandieren und 1934 ein neues, modernes Betriebsgebäude auf der gegenüber liegenden Straßenseite in der Widagasse 11 bauen. Dort brachte er die Produktion der Westen, Pullover und Badebekleidung unter, während das alte Gebäude weiterhin als Büro, Lager und Versand diente.8 1938 zählte die Belegschaft bereits 61 Personen: Mit ihrem Beitritt zum Deutschen Arbeiterbund bekundete die Fa. Philipp Mäser – so wie die Mutterfirma Benedikt Mäser - ihr Naheverhältnis zu den neuen nationalsozialistischen Machthabern.9 Durch die Produktion von Schlupfjacken während des zweiten Weltkriegs gelang es, die Produktion aufrecht zu erhalten.10 

In den Nachkriegsjahren, im Zuge des sog. Wirtschaftswunders, erhöhten sich die Produktionsmengen in der Strickwarenindustrie enorm und damit auch die Zahl der Beschäftigten in Vorarlberg.11 Philipp Mäser nützte die Gunst der Stunde und erweiterte sein Fabriksgebäude ab 1949 durch Zubauten und Erhöhung der Stockwerkzahl, sodass insgesamt rund 3.000 Quadratmeter Arbeitsfläche zur Verfügung standen.12 1962 stellten rund 120 Arbeiter und Angestellte Pullover, Jacken, Westen, Kinderoberbekleidung und Kleinkindwäsche in Flachstrickerei her.13


Seit der Gründung waren die Familie in die Geschäftsführung eingebunden: 1947 trat Philipps Sohn Theodor zunächst als Assistent des Vaters ein, später war er als Leiter der Strickerei tätig.14 Ab März 1966 arbeitete mit Philipps Enkel Klaus Ulmer ein Vertreter der dritten Generation im Unternehmen. Mit einem abgeschlossenen Volkswirtschaftsstudium war er für die kommenden Aufgaben bestens vorbereitet. Nach dem Tod Philipp Mäsers im Jahre 1969 war er es, der die Leitung des Unternehmens mit nur 26 Jahren übernahm. Dabei kam es zu einer Teilung: Theodor Mäser übernahm den Immobilien-Besitz, Klaus Ulmer die Firma. Letztere war fortan in der Widagasse 11 eingemietet.15

Als Geschäftsführer setzte Klaus Ulmer zahlreiche, wichtige Impulse: Mit der Gründung einer Näherei im steirischen Breitenfeld reagierte er ab 1971 auf die steigende Nachfrage.16 Mitte der 1970er-Jahre machten sich im Zuge der allgemeinen Wirtschaftskrise erste Probleme in der Strickwarenindustrie bemerkbar: Die Strickwarenerzeuger verzeichneten Produktionsrückgänge um ca. 30 Prozent. Insbesondere die zunehmende Bedeutung von T-Shirts im Sommer verdrängte die Flachstrickware.17 Die Fa. Philipp Mäser reagierte mit Investitionen in den Maschinenpark und die Gründung der Marke Maselli im Jahre 1978, um sich eindeutiger von Produkten aus dem Hause Benedikt Mäser abzugrenzen.18
1980 verlagerte Klaus Ulmer die Fa. Philipp Mäser von der Widagasse 11 in die Sandgasse 13, wo er die Betriebsstätte der ehemaligen Weberei Josef Kirchberger übernahm.19 1984 setzte er einen weiteren Meilenstein: Die neu gegründete Fa. Maselli – Strickmode GmbH kümmerte sich nun um den Vertrieb jener Produkte, die die Fa. Philipp Mäser herstellte.20

Ab 1991 trat die vierte Generation ins Unternehmen ein: Michaela Ulmer war nach dem Betriebswirtschaftsstudium bis 1993 für Marketing, PR und Controlling verantwortlich. Ihr Bruder Christian bearbeitete zunächst den amerikanischen Markt, war anschließend Verkaufsleiter für den deutschsprachigen Raum und ab 1992 Geschäftsführer der Vertriebsorganisation Maselli. 2004 übernahm er die Geschäftsführung der Fa. Philipp Mäser von seinem Vater.21

Während zahlreiche, traditionsreiche Vorarlberger Textilbetriebe ab den 1980er-Jahren dem steigenden Wettbewerbsdruck nicht standhielten und ihren Betrieb einstellten - so auch die Firma Benedikt Mäser im Jahre 2001 – konnte sich die Fa. Philipp Mäser relativ lange am Markt behaupten. Noch im Jahr 2001 beschäftigte das Unternehmen 94 Mitarbeiter in der Verwaltung und Strickerei in Dornbirn sowie in der Konfektion in Breitenfeld.22 Der steigende Wettbewerbsdruck führte jedoch dazu, dass das Unternehmen die Produktion im Februar 2010 nach Rumänien auslagerte, um Kosten zu senken. 60 Arbeitsplätze in Dornbirn und Breitenfeld gingen dadurch verloren, und das Werk in Breitenfeld schloss nach fast 40 Jahren. Am Standort in Dornbirn beschäftigte die Fa. Philipp Mäser weiterhin 21 Mitarbeiter in Geschäftsführung, Buchhaltung, Musterung, Vertrieb und Versand.23 2013 kam schließlich das endgültige Aus für die Fa. Philipp Mäser. Nur die Marke Maselli blieb bis dato erhalten: 2013 übernahm Hans Joachim Müller die Markenlizenz, die er um eine Premium-Kollektion an Polo- und Sweatshirts erweiterte.24 2016 kaufte er die Marke.25

Das Gründerhaus in der Widagasse 9 wird heute an Gewerbebetriebe vermietet, und die „Gelbe Fabrik“ in der Widagasse 11 beherbergt neben einer Rechtsanwaltskanzlei einen großzügigen Coworking-Space. Seit 2016 realisiert Mag. Michaela Rümmele, geborene Ulmer, mit ihrem Team am ehemaligen Firmenstandort in der Sandgasse die Umnutzung des Betriebsareals als zentrumsnahes Wohnquartier. Für die Planung zeichnen Hoffenscher Architekten in Dornbirn verantwortlich.26

Literaturnachweise

1 Wolfgang Ilg: Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs, Bregenz 1972, S. 94 f.
2 Archiv Fa. Philipp Mäser: Lehrzeugnis Philipp Mäser
3 Wolfgang Ilg: Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs, Bregenz 1972, S. 94 f.
4 Wolfgang Ilg: Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs, Bregenz 1972, S. 94 f.; Christian Feurstein: Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs von 1870 bis zur Jahrtausendwende, Konstanz 2009, S. 154
5 Archiv Fa. Philipp Mäser: Gewerbeschein vom 11.6.1924
6 Barbara Motter & Barbara Grabherr-Schneider: Orte-Fabriken-Geschichten. 188 historische Industriebauten in Vorarlberg, Innsbruck-Wien 2014, S. 173 f.
7 Christian Feurstein: Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs von 1870 bis zur Jahrtausendwende, Konstanz 2009, S. 151
8 Helmuth Mäser/Günter Palaoro: Geschichte, Besichtigung und Umbau der Firma Philipp Mäser in Dornbirn: Eröffnung der Kanzle Helmuth Mäser, Teil 1, in: Ländle TV, 23.7.2004; Barbara Motter & Barbara Grabherr- Schneider: Orte-Fabriken-Geschichten. 188 historische Industriebauten in Vorarlberg, Innsbruck-Wien 2014, S. 173 f.
9 O.V: Beitritt zur Deutschen Arbeitsfront, in: Vorarlberger Tagblatt, 21. Jg., 129. Folge, 7. Juni 1938, S. 3
10 Meinrad Pichler: Nationalsozialismus in Vorarlberg. Opfer. Täter. Gegner, Innsbruck 2012, S. 232
11 Christian Feurstein: Wirtschaftsgeschichte Vorarlbergs von 1870 bis zur Jahrtausendwende, Konstanz 2009, S. 152 f.
12 Archiv Fa. Philipp Mäser: Einreichplan vom 15.12.1949; Helmuth Mäser/Günter Palaoro: Geschichte, Besichtigung und Umbau der Firma Philipp Mäser in Dornbirn: Eröffnung der Kanzle Helmuth Mäser, Teil 1, in: Ländle TV, 23.7.2004; Barbara Motter & Barbara Grabherr-Schneider: Orte-Fabriken-Geschichten. 188 historische Industriebauten in Vorarlberg, Innsbruck-Wien 2014, S. 173 f.
13 O.V.: Philipp Mäser – 70 Jahre, in: „Die Industrie“, 9. Februar 1962, S. 22
14 O.V.: Theodor Mäser ist seit 30 Jahren in unserer Firma, in: wir. Mitarbeiter-Magazin Philipp Mäser, November 1977, o.S.
15 Mail von Michaela Rümmele am 21.8.2016
16 Norbert Nendwich: Klaus Ulmer – seit 10 Jahren an der Spitze der Firma, in: Philipp Mäser Werkszeitung, 3/76, o.S.
17 O.V.: Strickwarenerzeuger haben Sorgen. Flaute gemeinsam meistern. Sparprogramm ohne Härten, in: Wir von Philipp Mäser, Dezember 1975, o.S.
18 O.V.: Schau rein zu philipp, in: Philipp Mäser Werkszeitung, 1/76, o.S.; Klaus Ulmer.: Wir sind voll ausgelastet, in: wir, Mitarbeiter-Magazin Philipp Mäser, Oktober 1978, o.S.; Mail von Michaela Rümmele am 21.8.2016
19 Helmuth Mäser/Günter Palaoro: Geschichte, Besichtigung und Umbau der Firma Philipp Mäser in Dornbirn: Eröffnung der Kanzle Helmuth Mäser, Teil 1, in: Ländle TV, 23.7.2004; Barbara Motter & Barbara Grabherr-Schneider: Orte-Fabriken-Geschichten. 188 historische Industriebauten in Vorarlberg, Innsbruck-Wien 2014, S. 173-74
20 Mail von Michaela Rümmele am 21.8.2016
21 Mail von Michaela Rümmele am 21.8.2016; Mail von Michaela Rümmele am 25.8.2016
22 O.V.: „Die Wolle, die nicht kratzt…“, in: Vorarlberger Nachrichten, VN Heimat Bregenz, 11. Woche, 15.3.2001, S. 60
23 O.V.: Auslagerung der Produktion des Strickmodeherstellers maselli Dornbirn nach Osteuropa, in: ORF 2, Vorarlberg Heute, 3.12.2009, APA: Maselli verlagert Produktion nach Rumänien, in: der standard, 4.12.2009, online unter: derstandard.at/1259281211089/Maselli-verlagert-Produktion-nach-Rumaenien (Abfrage am 16.8.2016)
24 maselli: Storia di maselli, online unter: http://www.maselli-mode.com/Maselli_Marke.html (Abfrage am 16.8.2016)
25 Mail von Michaela Rümmele am 21.8.2016
26 Mail von Michaela Rümmele am 21.8.2016.